Das Projekt: BiFaBS (Biotischer Faktor Biber für Salmoniden)

Einfluss von Biberdämmen auf die Salmonidenwanderung am Beispiel der Linde in Mecklenburg-Vorpommern

 
 

 

1. Antragsteller


Salmoniden- und Gewässerschutz M-V e. V. (nachfolgend SGS)


2. Kooperationspartner

Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung, www.nue-stiftung.de 
Hochschule Neubrandenburg (nachfolgend HSNB), www.hs-nb.de
Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. (nachfolgend LAV), www.lav-mv.de

 
3. Projektdauer

3 Jahre (01.11.2021 bis 30.11.24)


4. Projektbeschreibung

Der Biber (Castor fiber) ist als biologischer Konstrukteur bekannt, der umfangreich in aquatische Ökosysteme eingreift und die Fähigkeit besitzt, die Gewässermorphologie tiefgreifend umzugestalten sowie die assoziierte Artenzusammensetzung und Diversität nachhaltig umzustrukturieren. Das Gros der publizierten Fachliteratur in Bezug auf die Auswirkungen des Bibers stammt aus relativ großen Fließgewässern mit entsprechend hohen Abflussraten. Die Ergebnisse lassen sich nur bedingt auf die kleinen Fließgewässer Mecklenburg-Vorpommerns übertragen, die mit deutlich weniger Wasserdargebot auskommen müssen. Natürliche Fließgewässerbereiche mit kiesigem Untergrund und moderat strömendem Wasser gehören zum typisch-ursprünglichem Landschaftsbild in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Biotopstrukturen sind jedoch nur noch in Restbeständen vorhanden und stellen somit essentielle Refugialräume für die typische und natürlich vorkommende Biozönose dar. Bach- und Meerforellen (Salmo trutta) nutzen diese Habitatstrukturen als Reproduktionsgebiete und eigenen sich aufgrund ihrer Größe sowie ihres Lebenszykluses hervorragend als Indikatororganismen für eine naturnahe Ausprägung kleiner Fließgewässer. In Bezug auf die Beeinflussung der Fließgewässer gewinnt der Biber durch seine rasante Bestandserholung in der vergangenen Dekade zunehmend an Bedeutung in Mecklenburg-Vorpommern und das speziell in Bereichen in denen der anthropogene Einfluss minimiert wurde bzw. umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen zur Herstellung des natürlichen Zustands beigetragen haben (Naturschutzgebiete usw.). Das beantragte Projekt BiFaBS bietet die Möglichkeit, wichtige Erkenntnisse in Bezug auf den Schutz und die Pflege der natürlich vorkommenden Ökosysteme nebst entsprechender Artenausstattung in Mecklenburg-Vorpommern zu sammeln und dokumentiert erstmals die Auswirkungen des Bibers auf die Salmonidenfauna eines kleinen Tieflandflusses in Mecklenburg-Vorpommern.


5. Projektziel

Ziel ist es, mögliche Effekte von Biberdämmen auf die Laichwanderung und die Laichdynamik von Bach- und Meerforellen in einer definierten Gewässerstrecke zu dokumentieren, die als typisches Laichgebiet für Salmoniden bekannt ist. Diese mögliche Barrierewirkung soll im Kontext der allgemein durch die Biber bewirkten ökologischen Veränderungen am und im Gewässer wie z. B. die Gliederung der Gewässer in einzelne ökologische Teilflächen, Auflichtung und Schaffung von Strukturvielfalt im und am Gewässer, bewertet werden. Die Ergebnisse sollen exemplarisch die Barrierewirkung von Biberdämmen in kleineren Tieflandbächen prüfen und dokumentieren, die an einer Vielzahl von Fließgewässern in M-V vermutet werden.


6. Projektablaufplan

6.1 Kartierung der Strukturveränderungen durch den Biber

Alle Biberdämme an der Linde zwischen Burg Stargard und Neubrandenburg, sowie die durch den Einfluss des Wasserstaus entstehenden ökologischen Teilflächen und deren Eigenschaften (Strömungsgeschwindigkeit, Sauerstoffgehalt, pH-Wert und Temperatur) im Gewässer werden GPS genau kartiert und dokumentiert. Zusätzlich werden sämtliche durch den Biber geschaffene Veränderungen im und am Gewässer dokumentiert (z.B. Lücken in der Vegetation sowie Totholzanreicherung im und am Gewässer). Die Totholzdimension wird dabei anhand des Brusthöhendurchmessers (BHD) in Kategorien von 10 cm Schritten erfasst und visualisiert. Es wird dabei zwischen frischen (aus dem Jahr 2021), sowie älteren Veränderungen unterschieden. Der Einfluss der Biber auf die Strukturvielfalt im Gewässer und am Gewässerufer wird auf Grundlage dieser Daten beschrieben.

Sobald Dämme von den Bibern errichtet werden bzw. vorhanden sind, werden folgende Messdaten im Gewässer (Wassertiefe ca. 30 cm) erhoben: Sauerstoffgehalt, Temperatur, pH-Wert und Strömungsgeschwindigkeit (standardisiert)

1. Messung: 100 und 50 m vor dem Damm
2. Messung: im Biberteich (5 m vor dem Damm)
3. Messung: 5 m und 50 m hinter dem Damm

Die Messungen an den Biberdämmen werden in der Zeit 01. November - 31. Dezember alle 5 Tage durchgeführt.


6.2 Beobachtung der Dämme und deren Dynamik

Grundsätzlich wird die Passierbarkeit des Gewässerabschnitts analog zur Durchgängigkeitsbewertung von Fischaufstiegsanlagen bei der WRRL-Bewertung herangezogen und anhand der Gewässerbreite dokumentiert (1 = 100 – 75 %, 2 = 75 – 50 %, 3 = 50 – 25 %, 4 < 25 %). Die Dämme werden sehr genau beobachtet (alle 5 Tage eine Kontrolle) und bei kompletter Querverbauung wird dokumentiert, zu welchen Zeiten sich durch die Wasserdynamik am Damm Stellen entwickeln, welche die Passage von Salmoniden ermöglichen. Dazu werden Durchgängigkeitskategorien von 1 – 4 festgehalten (1 = Damm komplett undurchgängig, 2 = Damm mit Sprung passierbar, 3 = Damm bedingt passierbar, 4 = gute Passagemöglichkeit am Damm gegeben) und diese beispielhaft als Foto dokumentiert. Um die Dynamik der Dämme und der Verhältnisse in den entscheidenden Bereichen im Fließgewässer ausreichend zu dokumentieren, werden die Punkte 6.1 und 6.2 kombiniert und alle 5 Tage durchgeführt.


6.3 Kartierung der Laichbetten von Salmoniden

Die gesamte Linde wird ab Anfang November systematisch und regelmäßig nach Laichbetten von Salmoniden abgesucht. Diese werden dokumentiert und Bachforelle und Meerforelle anhand der Größe der Laichbetten differenziert.


6.4. Kartierung der Substrateignung zum Laichen der Salmoniden

Der gesamte Gewässerverlauf wird in Bezug auf die Qualität als potenzielles Laichgebiet für Salmoniden kartiert und die Eignung wird dabei mit Hilfe des Trout Habitat Score (THS) kategorisiert. Mit dem THS werden 5 Strukturparameter je Probestelle erfasst, die je nach Ausprägung mit 0, 1 oder 2 Punkten bewertet werden. Der THS ergibt sich aus der einfachen Summierung der Einzelbewertungen und kann maximal den Wert 10 annehmen.


7. Hintergrund und innovative Charakter des Projekts

Im Interesse einer nachhaltigen Sicherung sich selbst reproduzierender Bestände muss das Wissen um die Bestandssituation der Art ausgebaut und aktualisiert werden. Um die Situation für die Meerforelle auf Landesebene richtig einschätzen und Schutzmaßnahmen fachlich fundierter planen zu können, sind Parameter wie natürliche Bestandsgröße, Mindest- und Optimalareale, Einfluss durch andere ( auch geschützte) Arten (hier Biber) oder auch der Einfluss der Gewässernutzungen erforderlich.

Die Datenaufnahme wird neben den Ehrenamtlern des SGS durch Studierende des Bachelor-Studiengangs "Naturschutz und Landnutzungsplanung" der HSNB realisiert. Die Studierenden arbeiten im Projekt als zukünftige Entscheidungsträger im Bereich Natur- und Artenschutz im Rahmen eines Projektes mit Vertretern des SGS und LAV zusammen. Viele Angler und Naturfreunde sehen die Dammbautätigkeit des Bibers als eine mögliche Barriere für die Wanderung von Salmoniden an und sind in diesem Punkt der Wirkung des Bibers auf kleine Fließgewässer kritisch eingestellt. Die Studierenden sind vor allem mit fachlichen Kenntnissen ausgerüstet, welche die fördernde Wirkung des Bibers auf die Biodiversität von Gewässerlebensräumen belegen. Die Studierenden erlernen im Rahmen der Ausbildung an der Hochschule, sowie in gemeinsamer Arbeit mit Fachleuten des SGS und LAV, wie die mögliche Barrierewirkung der Biber-Dämme geprüft werden kann und führen in Begleitung der HSNB eine Untersuchung im Austausch mit einem gesetzlich anerkannten Naturschutzverband durch. Das Projekt bietet die Möglichkeit, dass zukünftige Entscheidungsträger im Bereich Natur- und Artenschutz bereits im Studium erlernen, wie durch konstruktive Einbindung und Zusammenarbeit mit einer gesellschaftlichen Interessengruppe einem Konflikt begegnet werden kann und durch gemeinsame Ziele (die Aufrechterhaltung der ökologischen Durchgängigkeit der Gewässer und Artenvielfalt der Fischfauna) gemeinsame Lösungen gefunden werden können.